Pflanzlich – hilft nich(t)?
Zurück zu den Wurzeln
Im 19. und 20. Jahrhundert machte die medizinische Forschung rasante Fortschritte und drängte die traditionellen Erfahrungen in vielen Bereichen zurück. Der Glaube an eine allumfassende und allheilende wissenschaftliche Medizin verdrängt vielerorts die althergebrachten Heilmethoden, da die neuen Ideen doch so rational und nachvollziehbar funktionieren. Dennoch gibt es Nischen, in denen sich die Pflanzenheilkunde weiterentwickelt. Mit den Methoden der modernen Wissenschaft, mit Statistik und Dosis-Findungs-Studien, mit moderner Analytik und ausgefeilten Extraktionsmethoden wird das tradierte Wissen auf den neuesten Stand der Erkenntnis gebracht und zeigt überraschende Ergebnisse: Vielfach sind die pflanzlichen Arzneimittel, die Phytopharmaka, den synthetischen Mitteln gleichwertig oder sogar überlegen.
Vielfach werden uns die Grenzen der modernen Medizin vor Augen geführt: Neue Seuchen, neue Viren, multiresistente Keime und immer neue Krankheiten beschäftigen die Wissenschaftler. Wir akzeptieren langsam, dass wir mit der modernen Chemie nicht immer Erfolg haben und erkennen die Chancen durch Rückbesinnung auf Altbekanntes. Auch Mediziner und offizielle Leitlinien setzten auf die Phytopharmaka!
Dennoch gibt es die hartnäckigen Phyto-Verweigerer: „Ich will was RICHTIGES! Pflanzlich hilft nicht! Da muss man wohl dran glauben!“ Gerade in diesen Fällen kann man den niedergelassenen Ärzten vielleicht nachsehen, wenn sie auf Patientendruck dann doch zum Antibiotikum und Schmerzmittel greifen. Wir sollten auch der Tatsache ins Auge sehen, dass unsere Gesundheit unser persönliches Anliegen sein muss – weg vom irrigen Glauben, unser System werde uns schon optimal versorgen…
Die moderne Phytotherapie bietet hier ungeahnte Chancen der Prävention und Therapie-Unterstützung – und dabei liegt der Schwerpunkt auf „modern“. Was ist das Besondere an der heutigen Phytotherapie?
Die moderne Phytotherapie verabschiedet sich langsam aber sicher von der Idee, dass ein bestimmter Inhaltstoff für die nachweisliche Wirkung der Pflanze verantwortlich sein muss. Man hat erkannt, dass es gerade die Mischung vieler Einzelkomponenten in einer Pflanze sein kann, die die optimale Wirkung hervorbringt. Der Schwerpunkt der Forschung verschiebt sich weg von der Suche nach dem Wirkstoff in der Pflanze und hin zur Optimierung von Herstellungs- und Analyseverfahren, um ein möglichst gleichbleibendes Inhaltstoffgemisch bei jeder neuen Charge der Produktion zu erhalten. Man kann zusammenfassen: Der aufbereitete Gesamtextrakt ist der „Wirkstoff“!
Und so erklärt sich auch die besondere Problematik in der Phytotherapie: Pflanze ist nicht gleich Pflanze, Extrakt nicht gleich Extrakt und Präparat ist nicht gleich Präparat, auch wenn etwas Ähnliches draufsteht! Da die Pflanzenbezeichnung als solche natürlich nicht geschützt ist, kann jeder auf sein Produkt „Baldrian“ schreiben, auch wenn keine wirksame Inhaltstoffmenge enthalten ist. Der Patient nimmt vielleicht das (billige Drogeriemarkt-) Präparat ein und stellt keine Wirkung fest – was ja auch stimmt! – um daraus zu schlussfolgern: „Pflanzlich hilft nicht!“ – was eben nicht stimmt! Die modernen pflanzlichen Arzneimittel aus der Apotheke unterliegen denselben strengen gesetzlichen Anforderungen wie die synthetischen Arzneimittel. Das hierfür erforderlich Know-how besitzen nur einige wenige Hersteller, die sich daher zu Recht im Phytobereich einen Namen gemacht haben. Und leider ist der hohe Aufwand auch der Grund für einen oft scheinbar hohen Preis der Arzneimittel.
Quelle: PAN Ausgabe 03/2018, Copyright PAN 2018